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Störche – «Hauptstadt»-Brief #299

Donnerstag, 28. März – die Themen: Störche in Bern; Stadtpräsidium; Klimaprozesse, Containerprojekt; Wissenschaftsfreiheit; Osterhasen und ein hoffnungsfroher Kinofilm.

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(Bild: Marc Brunner, Buro Destruct)

Es klappert wieder beim Nationalen Pferdezentrum unweit des Guisanplatzes. Nicht etwa, weil ein Ross eine Stange im Sprung erwischt hat, sondern weil die Weissstörche zurück sind. Seit Januar haben drei Paare ihre Nester auf den Dächern an der Mingerstrasse bezogen. «Und zur Begrüssung oder Abwehr klappern sie mit den Schnäbeln», erklärt Lorenz Heer. Er ist Biologe bei Pro Natura und beschäftigt sich schon seit rund zehn Jahren mit Störchen – jetzt hat er ihnen ein Buch gewidmet.  Was ihn fasziniert, ist deren Anpassungsfähigkeit. Bis vor 20 Jahren war der Weissstorch noch ein reiner Zugvogel. Im Winter flog er bis in die Sahelzone. Im Zuge des Klimawandels hat sich das geändert – neu macht er schon in Spanien oder Marokko Halt oder bleibt gleich daheim in Mitteleuropa. Mittlerweile leben wieder rund 2000 Störche in der Schweiz – das ist erstaunlich, galt der Vogel doch 1949 hierzulande als ausgestorben. Damit die Störche ihre Horste – also Storchennester – errichten können, installieren Vogelfreund*innen wie Heer Nisthilfen auf Dächern. In Bern haben Störche zum ersten Mal wieder 2016 gebrütet. Dieses Jahr sei das erste Ei am 11. März gelegt worden, so der Biologe. Mitte April könne mit Storchennachwuchs gerechnet werden – die durchschnittliche Brutzeit beträgt einen Monat. Im Frühjahr kann man die Tiere mit den langen roten Beinen und roten Schnäbeln auf Nahrungssuche beobachten. Sie folgen zum Beispiel Traktoren, die Felder pflügen, und verspeisen die freigelegten Regenwürmer. Experte Heer bezeichnet den Weissstorch deshalb als «Kulturfolger». Er kann dafür täglich drei bis vier Stunden in der Luft sein – je nachdem, wie schnell er fündig wird. Im Sommer stehen dann härtere Zeiten für die Störche an. Die Felder sind bestellt, und der Mensch hat viele Flächen versiegelt oder Feuchtgebiete trockengelegt. Trotz seiner grossen Anpassungsfähigkeit falle es dem Vogel dann schwer, genügend Nahrung für seine mittlerweile herangewachsenen Jungen zu finden, sagt Heer. Die Folge seien Mangelerscheinungen bei den Jungstörchen.

Das auffällige rote und weisse Schild lockt mit Angeboten für den schmalen Geldbeutel.
Das auffällige rote und weisse Schild lockt mit Angeboten für den schmalen Geldbeutel. (Bild: Talha Malika)

Und jetzt noch zu anderen Themen des Tages:

  • Stadtpräsidium I: Es war ein Paukenschlag. Am Montagabend entschied die SP-Basis, den Angriff auf das Stadtpräsidium zu wagen: Tiefbaudirektorin Marieke Kruit fordert den Stadtpräsidenten Alec von Graffenried (GFL) heraus. Dieser Schachzug löst im politischen Bern «Irritationen und Entspannung» aus, wie meine Kolleg*innen Jana Schmid, Flavia von Gunten und Joël Widmer schreiben.  
  • Stadtpräsidium II: Die Stadtberner GFL will dem Rot-Grün-Mitte-Bündnis treu bleiben. Das hat die Partei von Stadtpräsident Alec von Graffenried am Mittwochabend an einer Mitgliederversammlung entschieden. Der Angriff aus den «eigenen Reihen» auf den wieder zur Wahl antretenden Stadtpräsidenten sei für die Partei zwar auch aus Bündnissicht nicht nachvollziehbar, trotzdem wolle man das seit über 30 Jahren bewährte Bündnis weiterführen, heisst es in einer Mitteilung.  
  • Kino: «Was braucht eine Gesellschaft, damit sie friedlich ist – damit kein Krieg entsteht?» – dieser Frage sind Sarah Hugentobler und Stephan Hermann in ihrem neuen Kurzfilm «Fridu» nachgegangen. Herausgekommen ist dabei ein «Plädoyer für Offenheit und Neugierde», findet meine Kollegin Flavia von Gunten, die sich den Film angeschaut hat. Sie schätzt die hoffnungsvolle, aber nicht naive Perspektive, welche die Filmemacher*innen gewählt haben.  
  • Wissenschaft: Die Universität Bern hat auf den offenen Brief reagiert, in dem Wissenschaftler*innen die «Erosion der akademischen Freiheit sowie das zunehmend anti-wissenschaftliche Klima in der Schweiz» kritisierten. Der Brief sei einseitig und blende Fakten aus, heisst es dazu in der Stellungnahme der Universität. Die Freiheit von Forschung und Lehre sei jederzeit gewährleistet, schreibt die Universität weiter. Sie geht dabei auch auf die Vorwürfe im Zusammenhang mit dem aufgelösten Institut für Nahoststudien ein. Wie komplex die Fragen rund um Wissenschaftsfreiheit und politischen Aktivismus sind, haben meine Kolleg*innen Jana Schmid und Joël Widmer kürzlich herausgearbeitet.
  • Cyberstalking: Knapp 100 belästigte Menschen – zum grossen Teil Frauen – haben sich im vergangenen Jahr bei der Stadtberner Fachstelle für Stalking gemeldet. Eine Mehrheit der Betroffenen erlebe eine Kombination von Stalkinghandlungen im virtuellen wie auch im realen Raum, schreibt die Stadt am Mittwoch in einer Mitteilung. Weil das Cyberstalking meist durch die Ex-Partner*in erfolgt, hat die Fachstelle eine Checkliste für die «Digitale Trennung» ausgearbeitet.  
  • Kehricht: Die Abfallentsorgung mit Containerpflicht hat letzte Woche in Bern ein unrühmliches Ende gefunden: SP-Gemeinderätin Marieke Kruit kommunizierte, dass sie in der Stadt Bern nur reduziert umgesetzt wird – obwohl die Vorlage vom Stimmvolk 2021 angenommen wurde. Die Gewerkschaft VPOD kritisiert den Stopp entschieden, wie ihr Sekretär Michel Berger meinem Kollegen Joël Widmer im Gespräch gesagt hat.Widmer findet in seinem Kommentar: Der Gemeinderat zieht das Stadtbild und den Erhalt von Parkplätzen dem Gesundheitsschutz von Kehricht-Belader*innen vor.  
  • Bundesplatzbesetzung: Am 21. September 2020 zogen um die 400 Menschen auf den Bundesplatz und campierten. Sie forderten eine klimagerechte Welt und Netto-Null-Emissionen bis 2030. Zwei Tage später wurde der Platz von der Kantonspolizei geräumt – seitdem hat die Berner Staatsanwaltschaft 151 Strafbefehle ausgestellt. Nicht alle Aktivist*innen des «Rise up for Change»-Protests akzeptierten sie. Meine Kollegin Flavia von Gunten hat mit einigen von ihnen gesprochen, bevor im Frühling die Berner Klimaprozesse weitergehen.  
  • Podcast: Der Musiker und Dichter Jürg Halter war früher als Kutti MC unterwegs. Nach zehn Jahren Musik-Abstinenz, veröffentlicht er am Karfreitag ein neues Album. Es trägt den Titel «Wir sind gute Menschen». Das Kulturmagazin Frida hat mit ihm über seine verschiedenen Kunstformen gesprochen und gefragt, warum er manchmal gerne das Problem ist.  
  • Ostern I: Wenn dir in diesen Tagen eine Frau im Hasenkostüm auf einem Cargo-Velo begegnet, die Schokohasen ausliefert, könnte es Ariane Joye sein. Sie hat sich mit ihrem Confiserie- und Patisseriebetrieb 2021 selbstständig gemacht – dieses Jahr wagt sie sich zum ersten Mal an die Herstellung von Osterhasen. Wie das aussieht, hat meine Kollegin Danielle Liniger in ihrem aktuellen Fotoportrait festgehalten.  
  • Ostern II: Am Ostersamstag erscheint kein «Hauptstadt»-Brief. Trotzdem findest du am Karfreitag und am Samstag auf der Website frischen, aktuellen Lesestoff. Unter anderem ist die «Hauptstadt» am Gründonnerstag an der Sitzung des Stadtrats dabei und versorgt dich im Stadtrat-Brief mit den wichtigsten Fakten aus der Debatte. 

P.S. Am Wochenende endet die Winterzeit, das heisst, wir stellen die Uhr in der Nacht vom 30. auf den 31. März von zwei auf drei Uhr. Das war nicht immer so – warum die Schweiz sogar eine Weile eine «Zeitinsel» im Vergleich zu ihren Nachbarstaaten bildete, haben die Kolleg*innen vom Blick in diesem Artikelaufgeschrieben.

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Diskussion

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28. März 2024 um 08:18

spannender einblick zu den störchen, danke.